Renato Chiavi hat seine Karriere als Speditionslehrling bei der damaligen Schweizerischen Reederei begonnen, hat das Nigeria Geschäft von Panalpina während 17 Jahren massgeblich aufgebaut und war COO von Panalpina weltweit, als er 1995 als Chef für den weltweiten Überseeverkehr zur damaligen Danzas wechselte. 1999 akquirierte die Deutsche Post die amerikanische AEI mit rund 10‘000 Mitarbeitern in einer $ 1.14 MiaTransaktion. Dieses Projekt hat er geleitet und AEI vollständig in Danzas integriert. Zuvor war Danzas 1998 von der Deutschen Post übernommen worden, die 2002 auch DHL erwarb und in Danzas integrierte.
Renato Chiavi, dann CEO von Danzas, verantwortete in der neuen Einheit das Internationale See- und Luftfrachtgeschäft. Die Deutsche Post erwarb 2005 die britische Excel in einer € 5.5 Mia. Transaktion. Renato Chiavi war in führender Stellung auch in diesem Projekt engagiert und ebenfalls im Integration Committee.
2006 erreichte Renato Chiavi das Pensionsalter und gab seine Führungsposition ab, betreute aber weiterhin verschiedene strategische Projekte für die Deutsche Post. Im Mai 2015 holte die Deutsche Post Renato Chiavi aus dem Halbruhestand zurück und betraute ihn als Interims CEO mit der Stabilisierung und Neuausrichtung des Bereichs „Global Forwarding“ mit 38‘000 Mitarbeitern, der in Turbulenzen geraten war. Nach 13 Monaten Volleinsatz und einer sehr hohen Anzahl von Flugmeilen, im Juni 2016, übergab Renato Chiavi den erfolgreich neu ausgerichteten Bereich wieder und betreut seither erneut einige Spezialprojekte.
Renato Chiavi war in seiner Laufbahn bei rund 35 kleineren und grösseren Akquisitionen mit den nachfolgenden Integrationen als verantwortlicher Linienmanager involviert.
Jürg Kurmann M&A: Welche Erfolgsfaktoren im Aufbau eines globalen Unternehmens wurden für Sie mit zunehmender Erfahrung signifikant wichtiger?
Ich glaube das Allerwichtigste in einer Service Industrie, wie die Spedition, ist die Schaffung eines „esprit de corps“, in dem alle Mitarbeiter dem Führungsteam vertrauen und dieses auch unter sich ohne jegliche politische Spielereien hoch motiviert auf die gemeinsamen Ziele hinarbeitet.
Im Weiteren ist es unerlässlich, das Geschäft zu kennen. Das verschafft nicht nur Akzeptanz bei den Mitarbeitern, sondern ist auch wichtig, um Akquisitionen tätigen zu können, bei denen keine richtige Due Diligence möglich ist - wie z.B. bei einem Übernahmeangebot für eine kotierte Firma.
Ich bin auch in einer Welt gross geworden, wo sich noch nicht alles um Boni gedreht hat. Dafür sind wir aber auch dann mal mit dem ganzen Team für drei Tage nach Rio geflogen, um zu feiern, als wir das Budget massiv übertroffen hatten. Diese Art, Erfolge gemeinsam zu feiern, gibt einen hervorragenden Team-Spirit und eine viel höhere Leistungsorientierung und Motivation als die heute in vielen Bereichen grassierende Individualboni-Kultur mit exorbitanten Beträgen und Ansprüchen.
Wichtig ist auch die dauernde Innovation. Wir waren immer wieder die ersten, die neue Angebote und Operationsmodelle probierten, dies aber immer vor dem Hintergrund einer durchgedachten Strategie.
Bei Akquisitionen darf die Begründung nie Umsatzwachstum sein, sondern der Preis muss stets durch Synergien legitimiert werden können. Da die Realisierung von Synergien in der Integration erfolgt, ist diese schlussendlich entscheidend, wofür wiederum die genaue Kenntnis des Geschäftes Voraussetzung ist.
Jürg Kurmann M&A: Welches war Ihr überraschendster oder lehrreichster Vorfall in Ihrer Laufbahn?
Dass ich es geschafft habe, ausgehend von meinen Anfängen als einfacher Speditionslehrling den globalen Marktführer in der Spedition zu schaffen. Was mir dabei sicher sehr geholfen hat, war dass ich stets eine gute Akzeptanz hatte, da alle Mitarbeiter und Führungspersonen immer wussten, dass ich „vom Fach war“, einen Track Record hatte und tat, was ich sagte. Ich habe auch immer allen Mitarbeitern Respekt entgegengebracht und immer Wert auf eine offene Kommunikation gelegt.
In den Jahren der Neuausrichtung des Global Forwarding Geschäfts 2015 und 2016, als von den Mitarbeitern viel abverlangte wurde und kein Stein auf dem anderen blieb, habe ich jede zweite Woche ein einseitiges Memo an alle Mitarbeiter verschickt, in dem ich knapp und klar über den Status und was noch vor uns lag berichtete. Auf meine erste Mitteilung erhielt ich rund 1‘000 Mails von Mitarbeitern, von denen ich jedes beantwortet habe. Ich trat auch regelmässig in grossen „townhall meetings“ vor die Belegschaft und stand Rede und Antwort. Die daraus resultierende Akzeptanz war entscheidend für die raschen Fortschritte, die wir erzielten.
Jürg Kurmann M&A: Welche Entwicklung im M&A erwarten Sie in der Spedition in den nächsten 1-2 Jahren?
In den letzten Jahren haben sehr viele Transaktionen stattgefunden, wobei die Käufer zum Teil heterogene Geschäfte übernommen haben, die nicht ohne weiteres vollumfänglich in deren bestehendes Geschäft passen. Ich erwarte daher in den nächsten Jahren eher Bereinigungstransaktionen auf einem tieferen Volumen und Bewertungslevel als bisher.
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